„Die Daseinsvorsorge steht jetzt noch mehr im Vordergrund und das ist eine richtige Entwicklung“

Dr. Axel Fischer, Vorsitzender der Geschäftsführung der kommunalen München Klinik, berichtet über seine Erfahrungen in der COVID-19-Pandemie. Potenzial sieht er in einer stärkeren Kooperation mit den Münchener Universitätskliniken. Für kleine Landkliniken sieht er als Einzelkämpfer keine Perspektive, selbst dann nicht, wenn sich diese auf die ambulante Versorgung fokussieren.

Interview: Dr. Stephan Balling

Herr Dr. Fischer, die München Klinik ist eines der großen kommunalen Krankenhäuser in Deutschland. Wie sind Sie durch die Krise gekommen?

Unser großer Vorteil in der Coronakrise ist, dass wir breit aufgestellt sind, etwa mit Blick auf Zentralbereiche wie Einkauf oder Logistik. Unser kommunaler Klinikverbund mit fünf Standorten weist eine große Expertise auf: von der Krankenhaushygiene über eine eigene große Krankenhausapotheke bis hin zu sehr renommierten medizinischen Fachbereichen wie der Infektiologie. Das hat uns geholfen, die Krankheit relativ schnell zu verstehen und im großen Krisenstab viel Know-how zu bündeln. So haben wir größtenteils die richtigen Entscheidungen treffen können und waren nicht auf andere angewiesen. Mehr noch: Wir sind zum Gesundheits-Ratgeber der Stadt München geworden. Die Daseinsvorsorge steht jetzt noch mehr im Vordergrund und das ist eine richtige Entwicklung.

Die München Klinik hat in der bayerischen Landeshauptstadt fünf Standorte. Welche Rolle spielt die Zentrale, welchen Entscheidungsspielraum haben die Leiter der einzelnen Klinikstandorte?

Die Zentrale sollte der Dienstleister für die Kliniken sein: beim Personalmarketing, Medizincontrolling, Einkauf, der Logistik und so weiter. Die großen strategischen Fragen – Bauvorhaben, medizinische Ausrichtung, Schwerpunkte in der Versorgung – gehen Geschäftsführung und Zentrale gemeinsam an. Vereinfacht gesagt gilt also: Bei operativen Themen entscheidet die Klinik, bei strategischen die Klinik zusammen mit der Zentrale.

Sie führen ein großes Krankenhaus, im Prinzip ein lokal tätiger Konzern zur Sicherung der Daseinsvorsorge in einer Millionenstadt. Welche Vorteile bietet Größe?

Die Größe unseres Klinikverbundes sorgt für hohe Fallzahlen. Und durch diese Größe können wir in der medizinischen und pflegerischen Versorgung für eine hohe medizinische Qualität sorgen. Außerdem können wir als großer Krankenhausbetreiber unseren Mitarbeitern viele Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Insgesamt ist die Expertise in so vielen Bereichen auf höchstem Niveau und auch insgesamt deutlich größer als in einem alleinstehenden kleineren Krankenhaus. Das erleichtert den Know-how-Transfer.

Welche Vorteile sehen Sie aus medizinischer Sicht in einem großen Konzern, der auch überregional tätig ist?

Private und überregional tätige freigemeinnützige Häuser haben durch ihre Konzernstruktur Vorteile gegenüber kommunalen Häusern, wenn es um betriebswirtschaftliche Ergebnisse geht – also beim Umsatz, Gewinn, der Liquidität oder Finanzierungsfähigkeit. Das gilt insbesondere, wenn die kommunalen Häuser als Einzelkämpfer agieren.

Würden Sie vor diesem Hintergrund auch gern auf Expansionskurs gehen?

Fragen zu Übernahmen stellen sich derzeit nicht. Das könnte sich nur ändern, wenn die Krankenhauslandschaft neu geordnet würde und die Stadt München sagt: Wir wollen mit der München Klinik flächendeckend in der Stadt vertreten sein.

Sind Übernahmen oder Fusionen mit Wettbewerbern in München möglich?

Warum sollten wir als städtische München Klinik nicht stärker mit den landeseigenen Uniklinika kooperieren, etwa in den Bereichen Logistik, Einkauf, Lagerhaltung und so weiter? Dafür wäre aber nicht unbedingt eine Konzernstruktur nötig.

Gilt das auch für die Digitalisierung? Haben da Konzerne Vorteile?

Digitalisierung ist grundsätzlich eine Mindset-Frage. Hinter Digitalisierung steckt letzten Endes die Veränderung von Prozessen. Da können Sie an einem Haus genauso scheitern wie im Verbund. Aber je öfter Sie das machen und Widerstände überwinden, desto einfacher geht es irgendwann. Das ist dann natürlich ein Vorteil im Verbund.

Welche Zukunft haben aus Ihrer Sicht kleinere kommunale Einzelkrankenhäuser?

Wenn ich sehe, was Corona auch im Hinblick auf die Finanzen verursacht hat, dann glaube ich, dass das kleine Einzelkrankenhaus insbesondere auf dem Land eher wenig Zukunft hat. Ich glaube nicht, dass die Kommunen es sich erlauben können, völlig alleine zu agieren mit einem kleinen Haus. Ich glaube, dass einige verschwinden werden. Wer übrig bleibt, wird sich in Verbünden zusammenschließen. Und das ist auch mit Blick auf die Versorgungsqualität gut so.

Können ambulante Gesundheitszentren eine Alternative sein?

Wer ein Gesundheitszentrum schaffen will, muss dafür mit einem oder mehreren Krankenhäusern kooperieren. Ein solitäres Gesundheitszentrum macht daher ohne eine kooperative Einbindung in die stationären Strukturen weniger Sinn.


Die München Klinik – eine gemeinnützige GmbH im Eigentum der Stadt München – betreibt in der Kommune fünf Krankenhäuser mit 60 Fachkliniken. Laut eigenen Angaben versorgt die München Klinik 40 Prozent aller Notfälle in der bayerischen Landeshauptstadt, jedes dritte Neugeborene der Stadt kommt in dem kommunalen Haus zur Welt. Das Unternehmen betreibt 3.062 Betten.


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