Digital Health Academy Ruhr: Fachwissen für alle
Bei MedEcon Ruhr profitieren neuerdings 170 Unternehmen von einer gemeinsamen digitalen Lehr-, Lern- und Praxisplattform für das Gesundheitswesen im Ruhrgebiet. Die Mitglieder des Vereins bestimmen dabei das Angebot der Digital Health Academy Ruhr aktiv mit. Die Maxime: Fachwissen soll zwischen allen Beteiligten fließen.
Von Stefan Deges
Leif Grundmann kann sich noch genau erinnern, wie die Idee entstand. Zwei Jahre ist das inzwischen her. Führungskräfte einiger großer Krankenhäuser der Ruhrregion suchten einen Lösungsansatz für ein gemeinsames Problem: Wie nur solle man in einem Gesundheitswesen, das von Kostendruck und Budgetzwang gekennzeichnet ist, dem fundamentalen Umbruch der Gesundheitsberufe gerecht werden? Den Klinikmanagern ging es einerseits um die Attraktivität der Arbeitsplätze in ihren Einrichtungen, anderseits aber auch um die Qualität der Versorgung. Die Digitalisierung der Arbeitswelt, die Technisierung von Diagnostik und Therapie, die zunehmende interprofessionelle Zusammenarbeit – all das erfordere ein hohes Maß an zielgerichteter Fort- und Weiterbildung. Nur, so fragte eine der Beteiligten ganz offen, sollen die passenden Angebote in jeder Einrichtung für sich selbst und jeweils neu entwickelt werden?
Die Ansprüche wachsen mit der Digitalisierung ins Unendliche, doch die Ressourcen im Gesundheitswesen sind begrenzt. Es war kein Zufall, dass die Kliniklenker sich mit ihrem Anliegen an die Geschäftsstelle von MedEcon Ruhr wendeten. Das Netzwerk der Gesundheitswirtschaft an der Ruhr vereint schließlich 170 Krankenhäuser, Universitäten, Kommunen und Unternehmen der Gesundheitswirtschaft in der Metropolregion Ruhr. Viele der Mitgliedsunternehmen stehen vor vergleichbaren Problemen wie die Krankenhäuser; oft aber sind sie erheblich kleiner und finanzschwächer als zum Beispiel ein Krankenhaus. Grundmann ist einer der beiden Geschäftsführer des Vereins MedEcon Ruhr, und er verstand: „Die Entwicklung und Bereitstellung grundlegender Qualifikationsangebote in Form von E-Learnings, Online-Schulungsräumen oder gar Virtual Skill Labs kann und soll nicht jede Einrichtung für sich leisten. Hier kann MedEcon einen Nutzen für seine Mitglieder und die ganze Region stiften.“
Die Idee war geboren. MedEcon Ruhr organisiert im Ruhrgebiet eine interprofessionelle Lehr-, Lern- und Praxisplattform für das digitale Gesundheitswesen – die Digital Health Academy Ruhr (DHAR). Dort sollen die Mitglieder Angebote für Blended Learning und E-Learning im Gesundheitswesen finden, die von einem Verbund aus Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheitswesen gespeist werden sollen.
Zwei Jahre später ist die digitale Einweihung erfolgt. Inzwischen können die MedEcon-Mitglieder erste Bildungsangebote buchen oder auch eigene Programme den anderen MedEcon-Mitgliedern unterbreiten. Zum Start sind erste branchenspezifische Webinare und Seminare sowie E-Learnings auffindbar. Zudem kuratiert eine Redaktion Videos und Podcasts aus frei zugänglichen Quellen. Fachartikel runden aktuell das Portfolio ab. „In den Kliniken, Hochschulen und Industrieunternehmen, bei den Beratern und Dienstleistern steckt so viel Fachwissen, dass die Kernfrage für uns lautete: Wie können wir das am elegantesten zugänglich machen“, heißt es zur Begrüßung auf der Startseite der Akademie. Die DHAR sei nun der Ort, an dem die Fachkräfte Zugang zu Wissen fänden. „Nun hat jedes Mitgliedsunternehmen, aber auch ein externer Bildungsanbieter die Möglichkeit, das Portfolio an Wissen systematisch auszubauen.“
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Damit ist auch klar: Auf Dauer ist das Fundament der DHAR kein technisches oder gar rein digitales. Es sind die MedEcon Mitglieder selbst, die den Reiz ausmachen werden. Die Gesundheitsmetropole Ruhr als Deutschlands bedeutendster Ausbildungs- und Versorgungsraum – von den Ausbildungsstätten der Gesundheitsversorger über die Studiengänge in den therapeutischen und pflegerischen Berufen bis hin zu den medizinischen Fakultäten und ihren Lehrkrankenhäusern – bietet hervorragende Voraussetzungen. Hochschulen der Region widmen sich mit zunehmender Intensität der Digitalisierung als Teil des gesundheitsberuflichen Wandels und haben hierbei nicht nur die akademischen Berufe, sondern die gesamte Berufswelt im Blick. Neben den Universitäten in Bochum und Duisburg- Essen mit ihren medizinischen Fakultäten sind außerdem die Hochschule für Gesundheit in Bochum sowie die Universität Witten/Herdecke mit ihrem breiten gesundheitsberuflichen Spektrum und ihrer starken interprofessionellen Orientierung von herausragender Bedeutung. Die an der Ruhr stark vertretene E-Health-Industrie steht ebenfalls als Partner zur Verfügung, da sie von Haus aus ein hohes Interesse an digital kompetenten Nutzern in der Arbeitswelt des Gesundheitswesens hat. „Die Angebote der Akademie ergänzen die Lehr- und Lernangebote der am Verbund beteiligten Institute“, erklärt Grundmann. „Das alles sollte in einem kooperativarbeitsteiligen Netzwerk erfolgen, von der Bereitstellung individueller Schulungsangebote bis hin zur gemeinsamen Nutzung von Angeboten Dritter.“
Der kooperative Ansatz warf schon vor der Grundsteinlegung der DHAR erste Früchte ab. Moderiert vom MedEcon-Team identifizierten einzelne Mitglieder, die sich im Frühjahr 2020 eigentlich über thematische Wünsche für die DHAR austauschen sollten, bereits gemeinsame Projekte für die Fort- und Weiterbildung im Ruhrgebiet. Ein Bildungsnetzwerk ist inzwischen initiiert worden, das Beratungs- und Schulungsleistungen für ambulante Pflegedienste erbringen soll. Ein zweites Projekt geht ebenso auf die inspirierenden Diskussionen der DHAR zurück, harrt aber noch einer Vergabe über mögliche Fördermittel durch den Bund. Hier lautet das ehrgeizige Ziel, Inhalte aus dem sperrigen Moodle-Baukastensystem auch für Lernende außerhalb der jeweiligen Organisation nutzbar zu machen. Parallel strebt das Bündnis ein KI-gestütztes lerntyporientiertes Angebot für den Umgang mit Menschen mit Demenz an. Gleich acht Mitgliedsunternehmen, darunter das Alfried Krupp Krankenhaus und das Dortmunder Fraunhofer ISST, haben sich daher in einem Projekt namens MINDED.RUHR (My INdividual Digital EDucation RUHR) zusammengefunden.
„Die Potenziale der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden vor allem in der interprofessionellen Vernetzung erschlossen“, beteuert Leif Grundmann. „Ein interprofessionell angelegtes digital Empowerment der im Gesundheitswesen engagierten Berufe ist hierfür wesentlich.“ Stufe eins wurde mit der DHAR nun genommen. Perspektivisch traut Grundmann der Academy und ihren Mitgliedern Großes zu. Er denkt an digitale Techniken wie Simulation, Virtual und Augmented Reality und Robotik. „Wir stehen am Anfang einer aufregenden Entdeckungsreise und die muss keineswegs an den Grenzen des Ruhrgebiets haltmachen.“ Vielleicht könne die Digital Health Academy Ruhr ihre Angebote eines Tages auch überregional ausspielen und sich damit auf Basis modernster Techniken als führender Ausbildungsstandort für die digitale Gesundheitswelt profilieren.