Dr. Iris Minde: Forschung gehört ins Forschungsministerium
WAS HAT ER GEBRACHT? WARUM BRAUCHEN WIR IHN?
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz erhielt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Auftrag, neue Versorgungsformen, die über die bisherige Regelversorgung hinausgehen, und Versorgungsforschungsprojekte, die auf einen Erkenntnisgewinn zur Verbesserung der bestehenden Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgerichtet sind, zu fördern. Übergeordnetes Ziel des Innovationsfonds ist eine qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland.Wir haben drei Experten um ihre Zwischenbilanz gebeten.
„Innovation ist ohne Zweifel wertvoll!“
Dr. Iris Minde
In drei Jahren des Bestehens des Innovationsfonds bis Ende 2019 sind aus Mitteln der GKV knapp eine Milliarde Euro, mit dem Koalitionsbeschluss zur Fortführung des Innovationsfonds bis 2021 weitere 400 Millionen Euro in die Forschung investiert worden. Erst im März 2021 kann Bilanz gezogen werden, ob (und wenn ja welche) Projekte in die Praxis übernommen werden können. Auch wenn der Zwischenbericht zur wissenschaftlichen Evaluation durch die Prognos AG, den das BMG an den Deutschen Bundestag übermittelt hat, eine insgesamt positive Erwartung formuliert, ist es doch keinesfalls sicher, dass tatsächlich mehr übrig bleibt als eine gewaltige Spesenrechnung.
Begründet wird der Innovationsfonds mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgung und der Entwicklung neuer Versorgungsformen. Das ist löblich, doch fragt man sich, ob dies eine Aufgabe der GKV ist. Selbst ein Großteil der Mitglieder des Innovationsausschusses wirft ausweislich des Prognos-Zwischengutachtens diese Frage auf. Das sollte uns zu denken geben!
Forschung im Bereich der Versorgung mit gesundheitlichen Leistungen hat es auch vor Einführung des Innovationsfonds gegeben. Angesiedelt wurde sie jedoch nicht im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), sondern beim Bundesforschungsministerium (BMBF). Tatsächlich weist auch ein Blick auf die „Konsortialführer“ der jeweiligen Förderprojekte des Innovationsfonds auf eine starke Rolle der Universitätsklinika. Ihre Aufgabe ist seit jeher die Forschung gewesen, sowohl was die Versorgungsformen angeht als auch die Inhalte der Anwendungen und medizinischen Leistungen. Mit dem Innovationsfonds haben sich nun etwa drei Viertel dieser Projekte für Uniklinika ausgezahlt, selbst wenn die Ergebnisse letztlich nicht geeignet sein sollten, die Qualität der Versorgung dauerhaft zu verbessern.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ist wichtig und gut, dass Forschung auch im Bereich der Leistungserbringung stattfindet. Innovation ist ohne Zweifel wertvoll! Jedoch zeigt die Diskussion im zuständigen Innovationsausschuss, dass gute Gründe bestehen, diese Forschung auch zukünftig als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Selbst wenn das Ziel sein sollte, die GKV zu entlasten, indem die Versorgung besser wird und neue Versorgungsformen entstehen, bleibt der Nutzen ein gesamtgesellschaftlicher! Erst recht, wenn – was zu erwarten ist – die Ergebnisse nach einiger Zeit über die GKV hinausgehen und auch dem Bereich der PKV zugute kommen dürften.
Eine knappe halbe Milliarde Euro bis 2021 ist eine Menge Geld, die gerade in Zeiten, in denen wir um die Finanzierung guter Qualität in der Pflege ringen, dringender und unmittelbarer in bewährte und einstweilen alternativlose Versorgung fließen sollte!
Ohnehin ist für Außenstehende schwer vermittelbar, dass sich Deutschland als eines der wohlhabendsten Länder der Welt so schwertut, sein Gesundheitswesen auskömmlich zu finanzieren. Am Geld selbst kann es nicht, also muss es an der Verteilung der vorhandenen Mittel liegen. Die Tatsache, dass selbst Befürworter und Eigentümer privater Kliniken in diesem Sommer die Aufrechterhaltung der Qualität infrage gestellt haben, ist der beste Beweis dafür: Gute Bewirtschaftung im Bereich stationärer (und wohl auch ambulanter) Versorgung ist keine Frage der Trägerschaft, sondern eine rein strukturelle. Sie ist es immer gewesen. Wo wollen wir als Gesellschaft Versorgung anbieten und wie soll diese Versorgung strukturiert und ausgestaltet werden? Das sollten die Fragen sein, um die es geht. Alle Forschung, die notwendig ist, um diese Fragen zu beantworten, sollte aus öffentlichen Mitteln stammen. Und alle Erträge und Synergien daraus und aus der Leistungserbringung sollten zwingend im System verbleiben. Wenn die Unterfinanzierung, die aktuell noch besteht und die politisch gewollt ist, ausgeglichen wurde, kann Weiterentwicklung und Innovation des Angebots aus diesen Synergien gespeist werden. Bis es so weit ist, gehört Forschung in den Etat des BMBF!