„Jobs verändern sich, Arbeit wird bleiben“ – Interview mit Thomas Ogilvic, Arbeitsdirektor und Vorstand für Personal und Corporate Incubations bei Deutsche Post DHL
Roboter und Algorithmen könnten schon bald viele menschliche Jobs ersetzen. Von der Automatisierung sind vor allem Beschäftigte in der Dienstleistungs- und Logistikbranche betroffen. Thomas Ogilvie ist Vorstand bei der Deutschen Post DHL und geht den Wandel an.
Von Jennifer Garic
Aktenberge und Regale voller Ordner im Personalbüro haben längst ausgedient: Personalmanagement funktioniert heute digital – und entwickelt sich in Zeiten von Fachkräftemangel und digitaler Transformation zum strategischen Innovationstreiber. Das gilt in besonderem Maße für personalintensive Dienstleistungsbranchen. Bei der Deutschen Post DHL (DPDHL) zeigt sich dieser Trend daher nun auch in der Zusammensetzung der Vorstandsposten: Thomas Ogilvie verantwortet die Abteilung Corporate Incubations und Personal. Für den Logistikkonzern muss er in dieser Funktion auch die Frage klären, wie die Automatisierung die Personalplanung verändert. Klar ist: Viele Jobs werden wegfallen, andere hinzukommen.
Herr Ogilvie, in personalintensiven Branchen wie der Ihren ist die Angst vor Jobverlusten durch die Digitalisierung besonders ausgeprägt. Wie viele Jobs wird die Automatisierung bei der DPDHL kosten?
Wir gehen davon aus, dass sich Jobprofile bei uns zukünftig verändern werden: Wir wissen zum Beispiel heute schon, dass bis 2030 rund 30 bis 35 Prozent aller aktuellen Prozesse und Aktivitäten automatisiert werden können, dies gilt insbesondere für repetitive physische und administrative Tätigkeiten. Da wir insgesamt rund 1.000 verschiedene Berufsbeschreibungen haben, ist das ein großer Veränderungsprozess, den es aktiv zu gestalten gilt. Aber es ist nicht die erste Veränderung dieser Art für uns: In den 1990er-Jahren haben wir zum Beispiel Sortiermaschinen für Briefe und Pakete eingeführt. Das hat zum einen zu einer großen körperlichen Entlastung geführt, auf der anderen Seite aber auch die Anforderungen an die Tätigkeit verändert. Für uns gilt daher, Jobs verändern sich, aber die Arbeit wird bleiben. Aus diesem Grund ist es auch wichtig zu verstehen, welche Qualifikationen in Zukunft erforderlich sind, um sich frühzeitig darauf einzustellen. Um den sogenannten Skill-Gap, also die Lücke zwischen den jetzigen Fähigkeiten und den in Zukunft wichtigen, zu schließen, gestalten wir diesen Prozess aktiv, zum Beispiel mit Weiterbildungsangeboten.
Muss man sich das wie im Jobcenter vorstellen? Verschiedene Mitarbeiter werden dann in den Abteilungen eingesetzt, wo es gerade einen Engpass gibt?
So einfach funktioniert das nicht. In den operativen Bereichen stellt sich die Frage für uns zum Beispiel nicht. Hier sehen wir – gerade auch durch das Paketmengenwachstum – einen großen Bedarf an neuen Mitarbeitern. Wenn es aber in der Verwaltung zu Veränderungen kommt, schauen wir uns die Fähigkeiten und Interessen der betroffenen Mitarbeiter an und versuchen auf dieser Basis passende neue Jobs für sie bei uns zu finden. Oft nutzen Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen im Alltag gleiche Fähigkeiten, auch wenn das jeweilige Ergebnis ein anderes ist. Diese Konvergenz müssen wir nutzen. Hier können auch HR Systeme helfen, in denen Fähigkeits- und Anforderungsprofile hinterlegt sind und so die Besetzung von Stellen erleichtern
Welche Abteilungen werden bei DPDHL am stärksten von der Digitalisierung betroffen sein?
Digitalisierung wird uns die Möglichkeit geben, repetitive Arbeiten mit Technik zu ersetzen. Das trifft auf Service- und Informationsanfragen zu, wie zum Beispiel den Einsatz von Chatbots im Kundenservice. Dadurch werden die Tätigkeiten in der Telefonie stärker auf komplexere Auskünfte ausgerichtet und gleichzeitig entstehen neue Tätigkeitsprofile, die die Algorithmen für diese Anwendung pflegen. Aufgaben, die sehr individuelle Entscheidungen erfordern, werden Roboter in naher Zukunft nicht übernehmen können.
DHL hat doch schon mit der Paketauslieferung via Drohne experimentiert. War das Projekt nicht erfolgreich?
Es ist gut, solche Technologien auszuprobieren, und wir haben viel durch das Projekt gelernt. Massenmarkttauglich sind Drohnen bisher aber noch nicht. Es gibt viele Haushalte – also Empfänger – in dicht besiedelten Gebieten und Richtlinien für die Sicherheit im Luftraum, die es momentan nicht zulassen, dass Drohnen sinnvoll und breitentauglich eingesetzt werden können. Auch bei der Briefzustellung gibt es heute keine effizienten Roboter, die die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen übernehmen könnten. Schließlich sind Briefkästen nicht in Größe, Ausstattung oder Standort genormt, sodass ein Roboter schlichtweg überfordert wäre, Briefe und Pakete zuzustellen. Der Job der Briefträger und Paketboten bleibt uns daher noch lange erhalten.
Wie entscheiden Sie, in welche Projekte Sie investieren, und wann ein Digitalisierungsprojekt gescheitert ist?
Wir probieren weltweit in mehr als 1.000 Projekten aus, wie Digitalisierung helfen kann, die Qualität für Kunden und Mitarbeiter zu verbessern oder Produktivitätssteigerungen zu erreichen. Dort wo wir sehen, dass Lösungen skalierbar sind, überführen wir diese in den Regelbetrieb. Hier arbeiten unterschiedliche Abteilungen, wie zum Beispiel Technik und Personal, bei uns im Unternehmen Hand in Hand.
Wie bringen Sie Ihren Mitarbeitern bei, dass wohl bald ein Roboter oder Algorithmus ihren Job übernimmt?
Die Frage stellt sich für uns nicht. Tätigkeiten haben sich schon immer verändert und wir müssen dafür sorgen, dass wir unsere Mitarbeiter befähigen, auf die Anforderungen von heute und morgen vorbereitet zu sein. Von daher wird es auch keine „Digitalisierungsopfer“ geben. Wir sind schließlich ein weltweit tätiges Unternehmen, das in Wachstumsmärkten tätig ist, woraus sich kontinuierlich viele Möglichkeiten ergeben. Richtig ist aber auch, dass es keine Garantie geben kann, dass Tätigkeitsfelder gleich bleiben – Veränderungsbereitschaft ist daher zentral.
Wie weit in die Zukunft reicht Ihre Strategie?
Die Personalplanung hängt ja unmittelbar mit den Investitionen eines Unternehmens zusammen. In unserem Fall heißt das: Wenn wir zum Beispiel ein neues Flugzeug für unsere Flotte kaufen, gehen wir davon aus, dass dieses für viele Jahre im Einsatz sein wird. Und genauso müssen wir auch bei der Personalplanung vorgehen, wenn es darum geht, die richtigen Kräfte für die Tätigkeiten der Zukunft zu finden und zu entwickeln.
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