Mit Prozess Mining die Abläufe in Krankenhäusern effizienter machen

Mit Daten einen echten Mehrwert schaffen – Celonis hat bewiesen, dass das geht. Das Münchener Unternehmen durchleuchtet Prozesse digital und kann damit nicht nur Abläufe in Krankenhäusern effizienter machen, sondern sogar die Performance von Ärzten im OP verbessern. 

Von Melanie Croyé

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat vielen Unternehmen aufgezeigt, wo sie noch Schwachstellen bei der Digitalisierung haben. Gerade in den Krankenhäusern mussten in Windeseile Prozesse umgestellt und wenn möglich kontaktlos gestaltet werden. Dann kommen Unternehmen wie der Münchener Process-Mining-Anbieter Celonis ins Spiel, mit deren Hilfen Kliniken ihre Daten analysieren und ein resilientes System aufbauen können und so in der Lage sind, schnell und präzise auf die plötzlich veränderten Umstände zu  reagieren.

Dabei hat alles mal ganz klein angefangen. Celonis wurde vor etwa neun Jahren von drei Münchener Studenten aus einem Projekt ihrer studentischen Unternehmensberatung heraus gegründet. Während sie mühsam in Interviews herauszufinden versuchten, was beim IT-Servicemanagement des Bayerischen Rundfunks so alles schieflief, kam ihnen die Idee, die Prozesse mithilfe von Daten, also den digitalen Fußspuren aus dem System, abzubilden. Diese Variante brachte nicht nur eine enorme Aufwands- und Zeitersparnis, sondern noch eine Vielzahl weiterer Informationen zutage. Das Process Mining, also das Schürfen von Prozessinformationen, war geboren. 

Heute arbeiten bei Celonis mehr als 900 Mitarbeiter weltweit, neben dem Hauptquartier in München gibt es ein weiteres in New York, zudem zahlreiche Standorte rund um den Globus. Celonis ist Weltmarktführer bei dem, was es tut und gehört mit einer Bewertung von 2,2 Milliarden Euro zu den wenigen „Einhörnern“ der deutschen Wirtschaft. 

Und das zu Recht, zumindest wenn es nach Alexander Endres geht, bei Celonis ist er unter anderem dafür zuständig, das Geschäft im Gesundheitssektor und in weiteren Branchen voranzutreiben. „Celonis hat Process Mining salonfähig gemacht und eine Technologie entwickelt, die für große Unternehmen enormen Mehrwert liefert“, sagt er. 

Das klassische Process Mining, also das Auslesen des Ist-Zustandes eines Systems und die daraus folgende Rekonstruktion des Prozesses, ist heute jedoch nur noch die Kernbasis der Technologie. Celonis hat den Zeitvorsprung, als erster Anbieter auf den Markt gekommen zu sein, genutzt und zahlreiche weitere Module entwickelt, mit deren Hilfe Prozesse inzwischen nicht nur ausgelesen, sondern auch optimiert und gesteuert werden können – Stichworte sind hier Künstliche Intelligenz und Machine Learning. 

Das bedeutet auch, dass die Celonis-Software in verschiedenen Fachbereichen, Abteilungen und Unternehmen aller möglichen Industrien Anwendung findet. In Krankenhäusern beispielsweise erfasst Celonis nicht nur administrative Prozesse, sondern auch sämtliche Abläufe und Aktivitäten im operativen Bereich. Vereinfacht gesagt benötigt die Technologie drei verschiedene Informationen aus dem Quellsystem, um einen Prozess nachvollziehen zu können: einen Identifier wie zum Beispiel eine Fallnummer, die Beschreibung der Aktivität, die durchgeführt wird, sowie einen Zeitstempel. Gerade im OP-Bereich finden sich davon zahlreiche, erklärt Alexander Endres. „Vom Zeitpunkt, wenn der Patient auf der Station liegt bis zum Ende des Eingriffs, gibt es eine Vielzahl enger Zeitstempel, die digital erfasst werden und damit eine gute Grundlage fürs Process Mining liefern“, erklärt Endres. Aus diesen Daten könne man dann Vergleiche ziehen und analysieren, warum beispielsweise in einem OP die Pünktlichkeit besser funktioniert als im anderen, wo Leerlaufzeiten sind und wie die Abläufe zwischen verschiedenen Abteilungen so optimiert werden, dass mehr Operationen durchgeführt werden können – und die bringen dem Krankenhaus dann wiederum mehr Einnahmen. „So kann man mithilfe von Process Mining die komplette Behandlungskette optimieren.“

Verschiedene Anwender können aus der Plattform die Kennzahlen auslesen, die ihren Bereich betreffen, vom kaufmännischen Leiter über die OP-Managerin bis hin zum Arzt, der seine Performance nachvollziehen und so verbessern kann. Die Plattform ermöglicht zudem auch die Kommunikation über Abteilungsgrenzen hinweg. 

Gerade Krankenhäuser wissen aber, dass es mit der Diagnose allein nicht getan ist, sondern die gewonnenen Ergebnisse auch in entsprechende Maßnahmen überführt werden müssen. Celonis selbst fehlte aber die Expertise im Gesundheitswesen, um diese Beratung selbst leisten zu können, sie „sprachen die Sprache nicht“, wie Alexander Endres es ausdrückt. 


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Andere im Krankenhauswesen etablierte Firmen nutzen die Technologie, um in Kliniken Prozesse zu analysieren, etwa die Unterhachinger Firma KMS, die unter anderem darauf spezialisiert ist, Data Warehouse Systeme aufzubauen. „Sobald ein Krankenhaus unser Data Warehouse hat, lassen sich Daten sinnvoll mehrfach verwerten, insbesondere zur Analyse von bestehenden Prozessen, und dabei nutzen wir die Process-Mining-Technologie von Celonis“, sagt Nils Wittig, Chief Experience Officer (CXO) von KMS. Der Vorteil: „Die Analyse ist unheimlich schnell, präzise und erfordert keine zusätzliche Datenaufbereitung.“

Auch die Managementberatung 4C Group nutzt die Celonis-Technologie, um Krankenhäuser im Transformationsprozess zu beraten. „Die richtige Analyse anhand des Process Mining ist nur der Einstieg in einen Transformationsprozess“, sagt Andreas Walter von 4C Group. In den letzten Jahren habe der Druck auf die Krankenhäuser immens zugenommen, sich wirtschaftlich und organisatorisch entsprechend aufzustellen. Viele Häuser haben bereits digitale Prozesse eingeführt oder sind aktuell dabei. Process Mining kann dabei helfen, die richtigen Schaltstellen für den digitalen Wandel zu identifizieren. „Es wirkt wie ein Katalysator, wir können es einsetzen, um die Digitalisierung in Krankenhäusern voranzutreiben.“ 

Als „wichtiges Tool“ bezeichnete auch Dr. Andreas Goepfert, Geschäftsführer des Klinikums Braunschweig die daten- und KI-basierte Prozessanalyse in der ersten Ausgabe von „Transformation Leader“ vor knapp einem Jahr. Gemeinsam mit KMS analysiert das Krankenhaus mithilfe der Technologie von Celonis seine Prozesse. „Die Künstliche Intelligenz hat die typischen Patientenpfade errechnet und wie lange sie dauern“, erklärte KMS-CXO Nils Wittig damals und ergänzte mit Verweis auf eine „auf das Wesentliche reduzierte Visualisierung“ gegenüber TL: „Nun können wir überlegen, wie der Patientenpfad optimal verlaufen kann und Schlüsse für bessere Prozesse ziehen.“ Ein Ziel dabei: den Aufenthalt von Patienten im Krankenhaus auf das medizinisch notwendige zu reduzieren. 

„Process Mining macht Prozesse transparent und wir haben nicht zuletzt in den letzten Monaten gesehen, wie wichtig das ist“, sagt auch Alexander Endres von Celonis. Das Münchener Unternehmen will in den kommenden Jahren genauso rasant weiterwachsen wie bisher – „bis wir wirklich systemkritisch sind“, sagt Endres. Zuletzt lag das Wachstum im dreistelligen Bereich, fast 1000 Kunden zählt das Unternehmen inzwischen weltweit. Im Gesundheitswesen und speziell in Krankenhäusern sieht Endres extrem viel Potenzial, mit der Software einen Wert zu schaffen. Bisher betreut das Unternehmen etwa 20 Kunden aus der Branche. „Wenn in Kliniken weniger Zeit für interne Aufgaben anfällt, haben die Leute mehr Zeit, wertschöpfend am Patienten zu arbeiten. Wir müssen also alle umliegenden Prozesse so effizient wie möglich gestalten.“