Nur wer in Ökosystemen und Wertschöpfungsketten denkt, besteht im Wettbewerb
Von Dr. Stephan Balling
Ein Essay über die längst fällige, nächste große Revolution.
Auf vielen Feldern warten erfolgreiche Unternehmer nicht auf demokratische Entscheidungen, sondern nutzen den Spielraum, den Menschen in freien Republiken haben, ganz ohne Politik. Das gilt vor allem für Amerika. Die Stiftung von Bill und Melinda Gates will bis 2030 unter anderem Polio ausrotten. Elon Musk will dem Klimawandel begegnen, indem er dem Elektromotor zum Durchbruch verhilft. Und wenn das nicht gelingt, die Menschheit befähigen, per Spaceshuttle neue Welten zu erkunden.
Gerade ihn, den amerikanischen Supervisioniär, belächeln deutsche Industriekapitäne mitunter oder taten dies zumindest lange Zeit. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht mit Blick auf Tesla, seinen E-Auto-Hersteller, der bisher nur Verluste anhäuft. Doch unabhängig von der Frage, ob Musk Tesla auch wirtschaftlich zum Erfolg führt: Die Kritik und das Urteil greifen meist zu kurz. Musk revolutioniert eine Branche. Denn Tesla setzt Skaleneffekte in Gang, die, dafür spricht viel, den Weg zur Elektromobilität ebnen. Völlig neues Denken ist gefragt. Mutige Unternehmensführer sind gefragt, die neue Firmen oder etablierte Organisationen im 21. Jahrhundert führen und dabei nicht auf die Politik warten.
Die Welt befindet sich im Umbruch. Und Europa? Ein weiterer Politiker, der zumindest eine Ahnung zu haben scheint, was vorgeht: Frankreichs Staatspräsident Macron. Europa könne als Zivilisation von der Landkarte verschwinden, warnt er: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, ob als Unternehmen, Diplomat, Minister, Präsident der Republik oder Soldat – egal, wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir definitiv die Kontrolle verlieren, dann wird die Folge die Auslöschung sein, dann wird Europa verschwinden“, zitierte ihn jüngst der Journalist Gabor Steingart in seinem Morning Podcast. Macron fordert, dass die Europäer sich ein Vorbild nehmen an anderen Völkern, die zu den Sternen streben. Und zuerst nennt er Unternehmen, weil er weiß, dass die Geschwindigkeit des gesellschaftlichen und weltpolitischen Wandels im 21. Jahrhundert mutige Gründer und Manager erfordert.
Unternehmen, Manager müssen dabei in Ökosystemen denken und das bedeutet, eine Haltung zu entwickeln, die den Erfolg des Gesamtsystems neben dem eigenen Unternehmen im Blick hat. Das führt zur Frage, ob es nicht auch in der Verantwortung von Führungskräften der Telekommunikationsunternehmen in Europa liegt, für leistungsstarke Mobilfunknetze zu sorgen, die auf eigener europäischer Technik basieren. Schon aus Eigennutz: Denn wer mag schon einschätzen, ob der chinesische Expansionsdrang sich darauf beschränkt, die technische Basis für neue Produkte und Dienstleistungen zu liefern. Warum nicht bald schon die komplette Wertschöpfungskette anbieten, vom Netz über das Telefon bis zum Datenvertrag? Mit allen Folgen für Datenschutz und Meinungsäußerung in diesen Netzen. Das Beispiel Huawei steht auch für die beschränkten Möglichkeiten von Ordnungspolitik und Regulierung im schnellen 21. Jahrhundert.
- Teil 1: Die überforderte Politik
- Teil 2: Nur wer in Ökosystemen und Wertschöpfungsketten denkt, besteht im Wettbewerb