Fünf weibliche Führungskräfte im Gesundheitswesen berichten von ihren Karrierewegen: #5 Prof. Dr. Erika Raab
Frauen denken zu häufig ans Scheitern, wenn eine neue Herausforderung ansteht, sagt Prof. Dr. Erika Raab, Geschäftsführerin der Kreisklinik Groß-Gerau. Auch sie selbst traute sich zu Beginn ihrer Karriere bei einigen Stellen nicht zu, diese zu übernehmen – doch sie änderte ihr Mindset und überwand so die Hindernisse.
Was waren rückblickend die wichtigsten Ereignisse und Entscheidungen in Ihrer beruflichen Karriere?
Grob zusammengefasst, waren für meine Karriere drei Ereignisse besonders prägend: Ganz vorne angefangen gehört dazu sicherlich der Entschluss zum Beginn eines juristischen Studiums – der medizinische Bereich hat mich dabei immer interessiert. Allerdings war mir nicht klar, wie beide Bereiche weit über das klassische Medizinrecht hinaus praktisch miteinander vereinbar sind. Einer meiner damaligen Professoren hat mich dann an das Thema Medizincontrolling herangeführt. Vor etwas mehr als zehn Jahren führte dies zur Entscheidung Nummer zwei:
Als erste Juristin – und damit Nichtmedizinerin – bundesweit sollte ich am Klinikum Ingolstadt die Abteilung für Medizincontrolling und Beschwerdemanagement leiten. Wenn mir der Geschäftsführer damals nicht deutlich gemacht hätte, dass er mich für diese Position als geeignet ansieht, hätte ich mich wohl nie getraut, diese Stelle anzunehmen.
Das dritte Ereignis liegt noch nicht lange zurück. Als ich 2019 das Angebot erhielt, die Geschäftsführung eines kleinen ländlichen Grundversorgers in finanzieller Schieflage zu übernehmen, habe ich zum ersten Mal bei einer wirklich großen Entscheidung auf mein Bauchgefühl gehört. Jetzt ist dieses Haus die deutschlandweit erste Klinik, die zu einem Intersektoralen Versorgungszentrum aufgebaut wird.
Was waren die größten Hindernisse auf dem Weg in eine Führungsposition und wie haben Sie diese überwunden?
Die größten Hindernisse auf dem Weg in eine Führungsposition waren diejenigen, die ich mir selbst im Kopf stellte. Ich denke, dass insbesondere Frauen dem Ausgang einer neuen Aufgabe oder Herausforderung gerne einmal skeptisch gegenüberstehen. Sie sind vom Gelingen ihres Ansatzes oft nicht überzeugt. Ehrlich gesagt habe ich mir zu Beginn meines Werdegangs einige Stellen nicht zugetraut. Ich hatte das Glück, dass viele meiner ehemaligen Vorgesetzten sehr sicher angesichts meiner Stärken waren und mich mit sanftem Druck motiviert haben. Ich habe mir über die Jahre ein anderes Mindset antrainiert und fokussiere mich auf meine Stärken; so habe ich die selbst erschaffenen Hindernisse überwinden können. Das ist schwer und erfordert viel Übung.
Welche persönlichen Stärken haben Ihnen auf dem Weg nach oben geholfen?
Wissenshunger, Durchhaltevermögen und die Entschlossenheit, in jedem Fehler einen Fortschritt und einen Gewinn zu sehen. Geholfen hat mir auch stets der familiäre Rückhalt, schließlich steckt hinter jeder starken Frau auch ein starker Mann.
Was müsste sich Ihrer Ansicht nach in der Arbeitswelt grundsätzlich ändern, damit mehr Frauen in Führungspositionen gelangen?
Ich denke, dass sich weniger die Arbeitswelt als vielmehr das Gesellschaftsbild ändern muss – sowohl mit Blick auf das Rollenbild der Frau als auch das des Mannes. Das beginnt bei der Vater- und Mutterrolle und endet bei stereotypisierten, von Klischees geprägten Berufsbildern. Wir sind hier auf dem richtigen Weg und trotzdem stoßen wir immer wieder auf sehr veraltete, verkrustete Denkweisen. Diese können wir nur nachhaltig ändern, wenn jeder bei sich anfängt.
Was würden Sie definitiv anders machen angesichts Ihrer Erfahrungen?
Rückblickend würde ich mit mehr Leichtigkeit an neue Aufgaben und Herausforderungen herangehen, um mich während des Prozesses mehr auf die Freude über das Projekt als auf die Sorge um ein mögliches Scheitern konzentrieren zu können. Ich würde keine Angst mehr vor dem Scheitern haben, sondern vielmehr den Mut dazu.
Prof. Dr. Erika Raab ist Geschäftsführerin der Kreisklinik Groß-Gerau und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling. Die Juristin war von 2009 bis 2014 Leiterin des Medizincontrolling, Beschwerdemanagement und Archivs am Klinikum Ingolstadt, anschließend leitete sie bis 2019 die Rechtsabteilung und das Konzernmanagement am Klinikum Darmstadt. Sie ist Lehrbeauftragte an der Universität Potsdam und der MSH Medical School Hamburg sowie Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu Medizincontrolling-Themen.